Forschungsdatenmanagement
Wer sich mit Forschungsethik beschäftigt, kommt am Thema Forschungsdatenmanagement (FDM) nicht vorbei. Dieser Bereich hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen und dabei zahlreiche forschungsethische Fragen aufgeworfen. Auch während der Projektarbeit sind wir oft mit dem Thema FDM in Berührung gekommen und haben besonders auf den dazugehörigen Seiten der verschiedenen deutschen Universitäten dazu recherchiert. Im Folgenden werden unsere Rechercheergebnisse einmal zusammengefasst und das Thema FDM aus verschiedenen Perspektiven betrachtet (Stand: März 2021).
Was sind Forschungsdaten?
Bei jedem Forschungsvorhaben entstehen Forschungsdaten. Ein strukturierter Umgang mit diesen Daten erhöht die Möglichkeit der Reproduktion der Forschungsergebnisse und spart auf lange Sicht Zeit[1]. Doch was genau sind eigentlich Forschungsdaten?
"Unter Forschungsdaten sind (…) Daten zu verstehen, die im Zuge eines wissenschaftlichen Vorhabens z. B. durch Quellenforschungen, Experimente, Messungen, Erhebungen oder Befragungen entstehen." (DFG, 2009, S. 2)[2]
Abzugrenzen sind Forschungsdaten dabei von Daten über Forschung, z.B. Informationen über Forschungsprojekte. Die Definition der DFG beschränkt sich nicht nur auf digitale Daten, auch die oft verwendete Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärdaten verschwimmt in der Praxis häufig. Heutzutage sind Forschungsdaten allerdings überwiegend digital und können sehr umfangreich sein.[3]
„Forschungsdaten variieren nach Disziplin. Anders als beim Umgang mit klassischen Textpublikationen ist beim Umgang mit Forschungsdaten häufig ein umfassendes Verständnis der jeweiligen Daten vonnöten, um den vielschichtigen disziplinspezifischen Charakteristika der Daten gerecht zu werden.“ (DINI, 2009, S. 7)[4]
Beispiele für Forschungsdaten[5] :
- Umfragedaten
- Texte
- Audio- und Videodateien
- Digitalisate (z.B. von Quellen und anderen Archivmaterialien)
- Bilder
- Messreihen
- Datenbanken
[1] https://www.th-koeln.de/forschung/forschungsdatenmanagement_52640.php#sprungmarke_1_11
[2] Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG. (2009). Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme, Unterausschuss für Informationsmanagement: Empfehlungen zur gesicherten Aufbewahrung und Bereitstellung digitaler Forschungsprimärdaten. Abrufbar unter: http://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/ua_inf_empfehlungen_200901.pdf
[3] https://www.th-koeln.de/forschung/forschungsdatenmanagement_52640.php#sprungmarke_1_11 und https://forschungsfoerderung.tu-dortmund.de/forschungsdatenmanagement/nachhaltiges-forschungsdatenmanagement/#c8327
[5] https://www.fu-berlin.de/sites/forschungsdatenmanagement/wiss-praxis/forschungsdaten/index.html
Was ist Forschungsdatenmanagement?
Durch einen nachhaltigen und offenen Umgang mit Forschungsdaten werden die Transparenz, Reproduzierbarkeit und Nachnutzung von Forschungsergebnissen gefördert. Ein verantwortungsvolles FDM gehört zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und trägt wesentlich zur Gewinnung und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei.[1]
FDM ist ein Überbegriff aller Methoden und Verfahren, die dabei helfen, die eigenen Forschungsdaten zu strukturieren, organisieren, dokumentieren, sichern, archivieren und zu teilen. FDM liefert die Konzepte zum nachhaltigen Umgang mit Forschungsdaten, jedoch entscheiden die Forschenden zu jedem Zeitpunkt selbst, ob und wann sie ihre Forschungsdaten mit Kooperationspartner*innen oder Dritten teilen möchten.[2]
Welchen Nutzen bietet ein geplantes und strukturiertes Forschungsdatenmanagement?[3]
- Zeit sparen: Vermeidung von redundanten Datenerhebungen und Reanalysen unter anderen Fragestellungen oder mit neuen Methoden
- nicht replizierbare Daten sichern
- Regeln guter wissenschaftlicher Praxis einhalten
- Transparenz und Validität der Daten fördern
- Vorgaben von Mittelgeber*innen (EU, DFG, BMBF) erfüllen
- den wissenschaftlichen Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit vorantreiben
- Sichtbarkeit der Wissenschaft durch die Veröffentlichung von Forschungsdaten steigern
Die Ruhr-Universität Bochum hat eine nützliche Checkliste entwickelt, welche Arbeitsschritte des FDMs in den Phasen „Planung und Antragsstellung“, „Erhebung und Analyse“ sowie „Archivierung und Veröffentlichung“ erledigt werden sollten.
Datenlebenszyklus
Idealerweise beginnt das FDM schon während der Planung des Forschungsvorhabens und zieht sich dann durch alle Phasen des Forschungsprozesses. Sei es die kurzfristige Speicherung und der Austausch der Daten mit Projektpartner*innen während der Projektlaufzeit oder die Veröffentlichung und Nachnutzung durch andere Forschende, jede Phase des Forschungsprozesses stellt unterschiedliche Anforderungen an den Umgang mit Forschungsdaten. Der Prozess des Datenmanagements lässt sich anhand der Phasen des Datenlebenszyklus verdeutlichen[1]:
Eigene Darstellung in Anlehnung an den Research data lifecycle
Datenmanagementplan
Zu einem guten FDM gehört auch ein Datenmanagementplan (DMP) als zentrales Instrument. In der Regel wird er in der Phase der Planung erstellt und über die gesamte Zeit des Vorhabens weitergeführt, um einen effizienten Umgang mit den Forschungsdaten sicherzustellen. [1]
Ein DMP ist ein Dokument zur Beschreibung des Lebenszyklus von Forschungsdaten und liefert dabei eine strukturierte Erläuterung, welche Typen und Formate von Daten im Forschungsprozess entstehen und ob und wie sie nach Projektabschluss nachhaltig archiviert und verfügbar gemacht werden sollen. Durch einen DMP wird gewährleistet, dass die Daten verfügbar, nutzbar und nachvollziehbar bleiben. In erster Linie soll ein DMP die eigene gute wissenschaftliche Arbeit unterstützen. Allerdings verlangen auch immer mehr Drittmittelgeber*innen (z.B. die DFG) bei der Beantragung von Fördermitteln einen DMP im Förderungsantrag. [2]
Hier finden Sie Beispiele für Datenmanagementpläne und weitere Informationen dazu.
Fair Data Prinzipien
Ein wichtiges Qualitätsmerkmal im FDM stellt die sachgerechte Handhabung der Forschungsdaten da. Die 2016 veröffentlichten Fair Data Prinzipien[1] sollen ein nachhaltiges FDM sichern, indem Forschungsdaten und die zugehörigen Metadaten so systematisch und strukturiert gespeichert werden, dass andere Forschende sie reproduzieren können.[2]
FAIR steht in diesem Zusammenhang für[3]:
- Findable (auffindbar)
- Accessible (zugänglich)
- Interoperable (interoperabel)
- Reusable (wiederverwendbar)
Zur Anwendung der FAIR-Prinzipen eignen sich z.B. fachspezifische Repositorien, in denen die Daten in einem offenen Format (interoperabel) abgelegt und durch Metadaten beschrieben (auffindbar) werden. Zudem kann die Vergabe persistenter Identifikatoren, wie z.B. einer DOI, dazu beitragen, dass die Daten bei einer Nachnutzung (wiederverwendbar) zitiert werden können. Darüber hinaus sichert das Rechtemanagement des Repositoriums den Zugang zu den Daten (zugänglich).[4]
Hier finden Sie weitere Links zum Thema Fair-Prinzipien.
[1] Wilkinson, M. D., Dumontier, M., Aalbersberg, I. J. J., Appleton, G., Axton, M., Baak, A. et al. (2016). The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship. Scientific Data, 3, 160018. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1038/sdata.2016.18
[2] https://www.uni-leipzig.de/forschung/forschungsservice/forschungsdatenmanagement/#c15244 und https://www.ruhr-uni-bochum.de/researchdata/de/fair_data.html
[3] https://www.uni-leipzig.de/forschung/forschungsservice/forschungsdatenmanagement/#c15244
Forschungsethische Aspekte im Forschungsdatenmanagement
Durch die gewachsene gesellschaftliche Bedeutung von Forschung und Ethik sind auch forschungsethische Fragen im Bereich FDM relevanter geworden. Besonders bezüglich der Datenbereitstellung nehmen forschungsethische Belange im FDM einen großen Stellenwert ein.[1]
Forschungsethische Pflichten und Fragen finden sich in allen Phasen des Datenlebenszyklus. Bereits bei der Planung des Vorhabens muss bedacht werden, ob es nötig ist, einen Ethikantrag zu stellen.[2] Gerade bei Forschungsprojekten, in denen mit besonders vulnerablen Gruppen und ihren Daten gearbeitet wird, sind diese Überlegungen von großer Bedeutung. Die Forschenden sind immer dazu aufgefordert, mit Projekten verbundene Risiken für andere zu vermindern und sich darüber bereits im Vorfeld des Projektes Gedanken zu machen.[3]
Zudem muss ein Missbrauch der Daten unterbunden werden. In der Phase des Publizierens von Forschungsdaten ist daher darauf zu achten, dass datenschutzrechtlichen und forschungsethischen Erwägungen Rechnung getragen wird. Die Forschenden müssen prüfen, welche Schäden oder Gefährdungen eine missbräuchliche Verwendung der Daten mit sich bringen könnte. Bei der Archivierung besonders sensibler Daten (z.B. Gesundheitsdaten, Informationen zu Religion oder sexueller Orientierung) ist zu beachten, dass Dritten der Zugang zu diesen nur unter besonders hohen Sicherheitsauflagen gewährt werden darf. Außerdem muss bedacht werden, dass bei diesen Daten das Votum der Ethikkommission nicht allein ausschlaggebend ist. Die verschärften Regeln zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung (Art. 9 DSGVO) müssen zusätzlich eingehalten werden. [5]
Die Normen und Regelungen zur Forschungsethik sollen dafür sorgen, dass Schädigungen vermieden werden, während gleichzeitig die Forschungsfreiheit sichergestellt werden kann. Das Ziel ist es dabei immer, einen verantwortungsvollen Umgang mit Wissenschaftsfreiheit zu praktizieren und zu fördern.[5]
[1] https://www.uni-hildesheim.de/bibliothek/forschen-publizieren/forschungsdatenmanagement/
[2] https://www.forschungsdaten.info/themen/ethik-und-gute-wissenschaftliche-praxis/ethik-und-fdm/
[3] https://www.uni-hildesheim.de/bibliothek/forschen-publizieren/forschungsdatenmanagement/
[4] https://www.forschungsdaten.info/themen/ethik-und-gute-wissenschaftliche-praxis/ethik-und-fdm/
[5] https://www.uni-hildesheim.de/bibliothek/forschen-publizieren/forschungsdatenmanagement/
Hier finden Sie weitere Links zum Thema FDM.
Hier finden Sie Literaturhinweise zum Thema FDM.